geschrieben Sommer 2020
Ich ging ihm aus dem Weg…
…Das war nicht einfach, denn wir leben im selben Stadtteil, gar nicht weit voneinander entfernt. Ich wusste, ich würde mich ihm irgendwann stellen müssen, bzw. einem Gespräch mit ich ihm und dann wäre ich dran zu erklären. Warum ich ihn und seine Rolle in diesen turbulenten Zeiten so dargestellt habe.
Ich kam mir vor wie eine Verräterin, heimtückisch. Er hatte sich bereit erklärt sich mit mir zu treffen, mir mit seinen Erinnerungen zu helfen.
Klar, das zweite Buch würde subjektiv werden wie das erste. Dennoch sollte „Sprengel für alle“ aber auch ein Stück Geschichtsschreibung sein. Dazu benötigte ich alles was ich an Zeitdokumenten in die Finger bekommen konnte und Zeitzeugen, die eine andere Perspektive ins Spiel brachten als die meine. Und so hatte ich mich im Zuge der Recherchen mit einigen damals Beteiligten getroffen.
Er war der beste. Alle anderen erinnern sich an fast gar nix mehr. Was für ein Gedächtnis – was für eine Fundgrube an Details. Stundenlang haben wir zusammengesessen, in Erinnerungen geschwelgt, die Vergangenheit wieder lebendig werden lassen, so als wäre das alles gestern gewesen. Ich war so glücklich darüber jemanden getroffen zu haben dessen Langzeitgedächtnis es mit meinem aufnehmen kann. Und damit nicht genug. Ich rief ihn sogar noch ein paar mal an, wenn mir wichtige Informationen fehlten. Und jedes Mal konnte er mir weiter helfen.
Und dann stand ich vor einem Dilemma. Mein Gedächtnis sagte mir nämlich, dass er ein Macker war, der nervtötende Machtkämpfe mit anderen Mackern geführt hatte. Das hat so viel Raum eingenommen, dass ich es nicht einfach unter den Tisch kehren konnte. Im Gegenteil, ich musste es so schreiben, wie es sich für mich und auch für Andere dargestellt hat.
Ich ließ mir das immer wieder durch den Kopf gehen und fand schließlich eine für mich befriedigende Lösung. Bei all dem was er mir erzählt hat, ist mir noch einmal deutlich geworden, was er außer Gockel-kämpfe zu führen, noch alles gemacht hat, wie flexibel und kreativ er war. Er ist einfach überall zugegen gewesen. Er laberte nicht nur, sondern er nahm die Dinge in die Hand. Wir haben damals unglaublich viel erreicht und er hat einen wesentlichen Teil dazu beigetragen.
Also widmete ich diesen konstruktiven Seiten an ihm mindestens so viel Aufmerksamkeit, wie den eher anstrengenden.
Und nun musste mich ich mich ihm erklären. Und jedes Mal, wenn ich ihn sah, dann dachte ich: Aber nicht heute! Ich wechselte unauffällig die Straßenseite und tat so als würde ich ihn nicht sehen. Vom Erscheinen des Buches im Juli 2017 bis zum 1. Mai 2018 auf dem Faustgelände. Ich war kurz weg, um mir was zu Essen zu holen und als ich zurück kam, da sah ihn mit einer guten Freundin als alten Zeiten auf der Bank sitzen, inmitten all meiner Freunde und Bekannten. Ich blickte mich nach einer Fluchtmöglichkeit um.
Zu spät. Freudig erregt winkte die Freundin mich heran. Mir blieb keine Wahl. „Wir reden gerade über dein Buch,“ lautete ihre Begrüßung. Das kann ja heiter werden. Schamhaft schlug ich die Augen nieder und räusperte mich: „Äh, ja es tut mir leid dass…“ Sofort unterbrach er mich: „Nein, nein, du brauchst dich für nichts zu rechtfertigen. Alles ist gut!“ – „Ja aber …“ – „Nein für mich ist das in Ordnung so. Natürlich habe ich auf einiges eine andere Sicht als du, aber es ist doch klar, das Buch ist subjektiv, also in erster Linie aus deiner Perspektive geschrieben. Das tritt in jeder Zeile deutlich hervor. Was mich viel mehr gestört hat, ist, wie du mit dir selber umgegangen bist!“
Jetzt unterbrach ihn die Freundin: „Nein, Nein! Ich habe es total gern gelesen. Ich habe mich so gefreut, dass du das geschrieben hast! Gerade diese Offenheit, deine frappierende Ehrlichkeit ist es doch was es so gut macht.“
Ich hatte eine Geschichte schreiben wollen, in der es nicht ausschließlich um die Auseinandersetzungen mit Stadt, Staat und Polizei geht, wie es Autonome Geschichtsschreibung (wenn es die denn mal gibt) üblicherweise tut. Ich wollte ansprechen, dass die Schwierigkeiten, die wir mit uns selbst haben, die größten sind.
Unser Plan ist es gewesen den herrschenden Verhältnissen im Kapitalismus – Konsumzwang, Konkurrenz, seelische Verelendung durch Vereinzelung – unsere Solidarität entgegenzusetzen. Wir hatten kollektive Strukturen schaffen wollen, in denen wir nicht nur kämpfen, sondern uns auch aufgefangen und geborgen fühlen konnten.
Dummerweise aber herrschen diese Verhältnisse auch in uns. Wir bringen unsere ganzen Probleme, ja, muss man schon sagen, teilweise unsere ganze Kaputtheit, mit. Wir kennen gar nichts anderes.
Dabei schien es mir logisch, dass ich nicht so tun konnte, als sei ich selbst ein Leuchtturm an Tugendhaftigkeit gewesen, inmitten des alltäglichen Irrsinns. Hätte mir eh keiner abgenommen.
Nun meldete er sich wieder zu Wort: „Ja, nee, aber das ist zu viel des „Guten“. Das grenzt schon Self-Blaming…“
Sie führten ihre kleine Meinungsverchiedenheit noch eine Weile weiter. Ich musste gar nichts sagen.
Hotspot Gartenfreunde Burgland/ Mai 2020
Ich habs gewusst. Dass das irgendwann passieren würde. Die urbane Mittelschicht von Hannover drängt in die Schrebergärten vor. Die Vereine haben endgültig ihr spießiges und piefiges Image abgelegt. Als ich meinen Garten 2013 übernommen habe (nicht wundern, ich habe die Laube schrittweise über die Jahre von innen renoviert und bin jetzt erst ganz fertig geworden) gab es in der Kolonie Burgland über 50 freie Gärten. Alle, die sich um einen Garten beworben haben, haben sofort einen bekommen. Meist für lau, weil der Zustand katastrophal war. Ich habe versucht Freunde und Bekannte zu überreden hier einen Garten zu pachten, mit wenig Erfolg, alle wollten in die Steintormasch, weil da schon alle sind. Dank Corona sind nun auch hier, bis auf einen, alle Gärten vergeben. Über Nacht ist die Kolonie zum Hotspot geworden. Überall um mich herum Hipsters, nette junge Paare, die sich zusammen tun und zusammen biogärtnern.
Liebe Hipsters (oder wer auch immer mit den folgenden Worten gemeint sein könnte):
Ihr vergiftet eure Wege nicht, ihr legt Totholzhecken für Wildtiere an und ihr tut auch was für die Bienchen. Was aber für mich persönlich das beste an euch ist, ihr nervt mich nicht damit, wann ich endlich den Weg mache und ihr guckt mich auch nicht schräg an, wenn ich meine Hecken ohne Zuhilfenahme eines Geodreiecks schneide. Ich freue mich über die Gartenzaungespräche mit euch, bei denen es um den Sinn und Zweck von Hochbeeten geht und welche Tomatensorte unter welchen Bedingungen den meisten Ertrag abwirft. Alles echt super.
ABER: Müsst ihr euch ständig überall vordrängeln, indem ihr mit eurem vielem Geld wedelt? (Neulich habe ich in der Steintormasch sogar einen Aushang gesehen, wo jemand 2000,- für die Vermittlung eines Gartens geboten hat) Wir sind hier nicht auf dem Wohnungsmarkt, wo ihr machen könnt was ihr wollt! Noch sind die Gärten für alle da und es geht immer schön der Reihe nach! Den Preis bestimmt ein Schätzer und er unterliegt nicht dem Wettbewerb. Es wird auch niemand nach dem Job oder der Höhe der Rente gefragt.
Und es kommt noch dicker: Erwerbslose können einen zinslosen Kredit beim Amt beantragen, wenn sie einen Garten übernehmen wollen.
Also: Reist euch gefälligst mal zusammen!
erschienen in Contraste ich glaub 2015
http://bis201908.contraste.org/index.php?id=88
Gesellschaftlliche Realität macht nicht halt vor linken Projekten, warum auch
Arbeitslose Deutsche abschieben
Wie mir zu Ohren gekommen ist, gibt es in dem Hausprojekt, in dem ich seit 27 Jahren
wohne, einige Personen, die es nicht richtig finden, dass ich seit 25 Jahren arbeitslos bin, den ganzen Tag über nichts mache, mich trotz meiner vielen Zeit nicht einmal politisch betätige und mich dann auch noch noch über das Jobcenter beschwere.
Tja, immer diese Jammerarbeitslosen. Fast schon genauso, wie Jammer-Ossies.
Fange ich doch mal mit dem Bild der Langzeitarbeitslosen in der Gesellschaft an. Laut der Studie über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der Universität Bielefeld von 2010, sind die Langzeitarbeitslosen die am meisten mit negativen Gefühlen belegte Gruppe im Land. In den Fokus der Abwertung gerückt wird sie »unter dem Gesichtspunkt mangelnder Nützlichkeit für die Gesellschaft«. Sie belegt diesen ersten Platz, noch vor verschiedenen Nationalitäten, Glaubensrichtungen und Einwanderern, wobei es da selbstverständlich jede Menge Überschneidungen gibt.
Hetze gegen Hartz 4 Empfänger
59 Prozent der Befragten fanden es demnach empörend, »wenn sich Langzeitarbeitslose auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen«. Zu ganz ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine 2012 gemachte repräsentative Umfrage zum Thema Vorurteile gegen HARTZ 4 Empfänger des Instituts für Demoskopie im Auftrag der Bundesagentur für Arbeit (BA – Nürnberg).
Diese Stimmung ist während der Ära Schröder so hochgepuscht worden, um auf die Hartz IV Gesetze einzustimmen. Seitdem hält sie unvermindert an. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie plötzlich die Zeitungen, Illustrierten und TV-Sendungen voll waren mit Artikeln und Reportagen über die sogenannten Sozialschmarotzer. Im Jahr 2000 zum Beispiel titelte die Sendung Panorama: Stütze statt Stress – soziale Hängematte Deutschland
2003 initiierte die Bild eine Kampagne um den sogenannten »Florida-Rolf«. »Leben wir eigentlich im Sozial-Schlaraffenland?« lautete ihre erste Überschrift dazu. Weiter ging es dann mit: »Er lacht uns alle aus« Bei dem unfreiwillig berühmt gewordenen Protagonisten handelte es sich um einen Frührentner, der sich vom Sozialamt seine Miete in Miami bezahlen ließ. Er litt, seit seine US amerikanische Ehefrau verstorben war, unter Depressionen.
Der Wutsturm vieler Bürger, die in Rolf den Verursacher für ihr plagenreiches Leben »erkannten«,folgte direkt. Fast genauso schnell reagierte der Gesetzgeber. Es wird nun keine Sozialhilfe mehr ins Ausland überwiesen, auch dann nicht, wenn die Lebenshaltungskosten dort günstiger sind als bei uns.
Zu Beginn des neuen Jahrtausends zierten Bilder von Hängematten, in denen sich die Faulenzer genüsslich räkeln, sowohl die Nachrichtenmagazine, als auch die Printmedien. Die Hängematte als Synonym für die soziale Hängematte. Der Begriff »soziale Hängematte« ersetzt seitdem den, des sozialen Netzes. Ich selber habe damals eine zum Geburtstag bekommen, als Anspielung darauf. Das war allerdings ein Scherz.
Das Sozialporno
Irgendwann habe ich mal den Begriff Sozialporno gehört. Gemeint waren Hetzsendungen gegen Menschen, die es angeblich sehr viel angenehmer finden ihre eigene Verwahrlosung voranzutreiben und dem Steuerzahler auf der Tasche zu liegen, als »zumutbare« Arbeit anzunehmen. Gerade weil sie so heruntergekommen sind, bieten sie so ziemlich jedem Zuschauer noch die Möglichkeit sich nach unten abzugrenzen und zu distanzieren. Ich finde den Begriff Sozialporno so treffend, weil er an niedrigste Emotionen appelliert, weit unter der Gürtellinie. Wer kennt das nicht: »Igittigitt, so fertig bin ich jedenfalls nicht!« Besonders geeignet für diesen Effekt erscheint mir die Darstellung sogenannter Mietnomaden, wie sie von RTL gesendet wurden. Dabei handelt es sich um Hartz IV Empfänger, die ihre vom Amt kassierte Miete nicht an den Vermieter zahlen, sondern verprassen, am liebsten für Bier, Zigaretten, Flachbildschirme und den Pizzabringdienst. Die Vermieter sind hilflos, denn noch bevor geräumt werden kann, sind die Mieter schon weg, um anderswo genauso weiterzumachen. In jeder Wohnung hinterlassen sie ein stinkendes Desaster aus Unrat und Gerümpel.
Am 29. März 2010 ging Birgit Schrowange in Extra – Das RTL Magazin – unter dem Titel „Wenn ich groß bin, kriege ich Hartz IV!“ der Frage nach, was ein Hartz IV Kind von seiner Geburt bis zu seinem voraussichtlichen Tod den Steuerzahler kostet. Im Vergleich dazu wird eine Rechnung aufgemacht, was das Kind einer arbeitsamen Familie, an Steuern einbringt, nach Abzug der staatlichen Investitionen in seine Bildung.
Auch unter »Beauty-Gesichtspunkten« hat die in der Sendung dargestellte Familie wenig Erfreuliches zu bieten. Eine Face Aging Software, mit Zusatzfaktor Hartz IV, prognostiziert, dass der Hartz IV Sprössling schon mit 50 Jahren eine hässliche alte Vettel sein wird. So einen Dreck gibt es auf fast allen Fernsehkanälen zu sehen.
Arbeit muss sich wieder lohnen
Diese Hetze ist keine pure Gemeinheit, sondern sie hat ein Ziel. Nämlich die Leute in unakzeptable Jobs und in den Niedriglohnsektor zu treiben, mit Hilfe einer Kombination von Kürzungen und sozialer Ächtung . Soziale Ächtung ist etwas, das unsere Gattung überhaupt nicht ertragen kann. Anerkennung ist uns fast so wichtig wie Nahrung.
Es gibt noch einen zweiten ebenso wichtigen Grund, der als Folge davon auftritt. Die Arbeitslosen geben sich selbst die Schuld. Sie verinnerlichen das Bild, das die Gesellschaft von ihnen hat, weil sie Teil der Gesellschaft sind. Es beeinflusst uns immer was andere von uns denken. Die Erwerbslosen verachten sich selbst und gegenseitig.
Während Maßnahmen, die das Jobcenter anordnet, wie zum Beispiel Bewerbertraining, wird mit Beschuldigungen, wer sich nicht genügend um Arbeit bemüht, wild um sich geworfen. Die Betroffenen fühlen sich schuldig, als Versager, werden depressiv und wehrlos. Paradoxerweise wird den Arbeitslosen einerseits vorgeworfen, dass es ihnen so schlecht gehe und sie so viel jammern und andererseits, dass sie sich auf Kosten der Gemeinschaft ein bequemes Leben eingerichtet haben und es ihnen viel zu gut gehe.
Es ist unmöglich während eines Bewerbertrainings zu sagen: »Ja, Erwerbslosigkeit hat viele Nachteile, aber ich komme trotzdem ganz gut klar. Es geht mir nicht schlecht«. Stattdessen wird mit Bekenntnissen wettgeeifert, wer unter der Situation am meisten leidet.
Sobald ich den Fuß außerhalb meines Wohnprojektes, in die »normale Welt« setze, sehe ich mich der allgemeinen Ächtung ausgesetzt. Ich überlege immer sehr genau, ob ich mich als »Hartz IV«oute. Früher einmal hatte ich einen relativ selbstbewussten Umgang damit – vor Schröder. Die Reaktionen darauf sind aber fast immer in irgendeiner Weise verletzend. Mitleid, Hilfsangebote, Skepsis, ob ich denn überhaupt Arbeit suche. Ob ich nicht mal dies oder das versuchen will, um meine Situation zu ändern. Auch begütigende Kommentare wie: »Is nich schlimm, ich war auch schon mal arbeitslos – aber nicht lange« machen es nicht besser. Während eines Kurses beim Bildungsverein Hannover wurde mir von der Kursleiterin angeboten ihr Kind zu hüten, für drei Euro die Stunde. Wählerisch könne ich ja wohl kaum sein.
Keine Akzeptanz, keine Toleranz, kein Respekt.
Die Forderung nach bedingungslosem Grundeinkommen ist zwar nett gemeint, aber naiv. Arbeitslosen-Bashing ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Funktionieren des Systems. Die Alternative zu schlecht bezahlten Jobs unter unwürdigen Bedingungen, muss noch schlimmer sein als diese Jobs. Nichts anderes ist mit dem Satz gemeint: »Arbeit muss sich wieder lohnen!«
Arbeitslos und nicht mal politisch aktiv
Das Wohnprojekt, in dem ich lebe ist aus einem Häuserkampf hervorgegangen. Damals war es einer unserer wichtigsten Inhalte gewesen, uns gegen soziale Ausgrenzung zu stellen. Ich habe es immer an meinem Zuhause geschätzt, nicht der sozialen Ächtung wegen meiner Arbeitslosigkeit ausgesetzt zu sein. Jetzt fühle ich mich auch hier nicht mehr sicher davor. In einem Gespräch, das ich geführt habe, wurde mir vorgehalten, ich würde mich persönlich sehr angegriffen fühlen. So was ist typisch. Meine persönliche Betroffenheit zieht meine Objektivität in Zweifel. Wie wäre es denn bei einer frauenfeindlichen Äußerung speziell gegen mich? Da würde ich mich auch persönlich angegriffen fühlen. Würde man mir deswegen die Fähigkeit absprechen, meine persönliche Beleidigung in einen gesellschaftlichen Kontext einzuordnen? Leider kommt
auch das sehr oft vor.
Ich bin nicht politisch aktiv, obwohl ich so viel Zeit habe. Was für eine sinnlose Existenz ich doch führe. Ist denn politische Aktivität eine Beschäftigungstherapie? Geht es da nicht viel mehr um ein Anliegen, um ein Bedürfnis, das absolut nichts damit zu tun hat, ob man arbeiten geht oder nicht? Der Vorwurf, ich würde den ganzen Tag über nichts tun, fällt für mich unter protestantische Arbeitsethik. Müßiggang ist aller Laster Anfang, nicht wahr? Die moderne Form davon ist, dass alle immer unheimlich busy sind. Busy kommt von Business. Wer das nicht ist, gibt vor es zu sein. Es gibt in der Gesellschaft sogar schon das Phänomen des Schein-Workoholismus. Der Workoholismus ist die einzige Suchtkrankheit für die man geachtet und nicht verachtet wird. Sterben kann man daran allerdings genauso wie an Drogen und Manche brauchen zusätzlich noch Drogen um das auszuhalten. Auch das dient dem Systemerhalt. Preisdumping, Lohndumping, Arbeitsverdichtung, Standortvorteil, Gewinnmaximierung, Mehrwert schaffen. Ja, ich beschwere mich über das Jobcenter, wenn ich von dort verstärkt unter Druck gesetzt werde.
Ich werde unter Druck gesetzt, so wie alle, die Sozialleistungen beziehen, damit ich einknicke und mir entweder einen Job suche oder mir Kürzungen reingedrückt werden können. Das setzt meinem Gemüt zu und ich beklage mich darüber. Ich suche Erleichterung für meine Seele. Na und? Andere beschweren sich über ihren Chef, ihre Kollegen, Kommilitonen, Dozenten oder darüber, dass sie nie Zeit haben. Dann hört doch auf Arbeiten zu gehen, anstatt euch zu beschweren! Ich denke, dass Menschen von sich aus das Bedürfnis haben der Gesellschaft einen nützlichen Beitrag zu leisten. Ebenso gehe ich davon aus, dass es dem Selbstwertgefühl allgemein zuträglich
ist, für sich selbst sorgen zu können. Ich bezweifele allerdings, dass alles, was als Arbeit bezahlt wird ein nützlicher Beitrag ist.
Hören wir auf damit der Hetze auf den Leim zu gehen. Auf Hilflosen herumzuhacken, mag eine bequeme Möglichkeit bieten sich selbst besser zu fühlen und Frust abzubauen. Langfristig unterstützen wir damit aber nur die eigene Machtlosigkeit uns für unsere eigenen Interessen und für unsere Würde gegen die herrschenden Verhältnisse einzusetzen .
Infokasten
http://daserste.ndr.de/panorama/media/haengematte4.html
http://www.rtl.de/cms/sendungen/real-life/mietprellern-auf-der-spur-mietnomade-verwandelt-wohnung-in-stinkende-
muellhalde-16599-ad7e-11-780324.html
http://www.youtube.com/watch?v=yJlK38MPNvA (www.fernsehkritiker.tv)
http://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Langzeitarbeitslosen.html
http://daserste.ndr.de/panorama/media/haengematte4.html
geschrieben 2017
als ich Facebook beigetreten bin habe ich zwei Vorsätze gefasst.
Eins: Keine Kätzchenfotos posten. Außer natürlich einer meiner beiden Lieblinge ist verschollen. Das gilt als Ausnahmezustand
Zwei: Nicht noch mehr im Internet surfen als bisher
Eins hat gut funktioniert. Kein einziges Kätzchenfoto, trotz reichlich vorhandenen Materials.
Mit Zwei, verhält es sich etwa folgendermaßen: Ich gucke noch mal schnell auf Facebook was es an Neuigkeiten gibt.
Nicht zu fassen! Was die Wagenknecht da schon wieder für einen Bock geschossen hat! Ich habs ja schon immer gewusst, aber dass die Die Linke sich auf so peinliche Weise selbst demontiert, damit hätte ich doch nicht gerechnet…
Was haben wir denn hier? Ein sehr guter Beitrag über den Vorwurf der kulturellen Aneignung auf Deutschlandfunk. Da hat sich jemand wirklich differenziert mit dem Thema auseinandergesetzt. Jenseits von „man darf ja heute nicht mehr sagen…“ was ich auch in meinem Umfeld immer häufiger höre. Den teile ich mal…
Weiter. Männerwahlrecht abschaffen. Männer müssen vor ihrer eigenen Meinung geschützt werden. Hihi, was ist das denn? „Burschenschaft Hysteria“. Da geh ich doch gleich mal auf deren Seite. Geil! Die haben echt Ideen, Humor und Courage! Keine langweiligen Spaßbremsen und Moralistinnen. Finde ich gut. Ihr Sitz ist in Wien. Tja die Ösies hats ja auch noch schlimmer erwischt als uns. Ich lese mich durch die Seite.
Aha, ein Artikel in einer wiener Zeitung gibt es auch noch dazu. Den klicke ich mal an. Die FPÖ setzt sich in erster Linie aus offen rechtsradikalen und geschichtsrevisionistischen Burschenschaftlern zusammen. Burschenschaft Hysteria ist die Antwort darauf. Die haben sich natürlich schon jede Menge Feinde gemacht. Brauchen teilweise schon Polizeischutz. Manoman, vielleicht sollte man den Männern tatsächlich das Wahlrecht entziehen…
Wieder zurück auf meine Startseite. Die Insekten sterben aus. Also nee, Berichte über Umweltzerstörung, die Vernichtung unser aller Lebensgrundlage zu Gunsten des Profits, das kann ich einfach nicht ertragen. Und das geht immer so weiter. Da weiß ich einfach, auch das letzte Fünkchen Hoffnung ist nichts als eine Illusion. Den Beitrag lese ich nicht…
Verdammt! Ich verplempere sinnlos meine Zeit. Ich hab so viel zu tun. Außerdem könnte ich auch selber mal wieder was geistreiches schreiben.
Aber erst muss ich noch mal schnell was gucken. Ska und Soul Party. Da steh ich richtig drauf, auf alten Ska. Interessiert. Am besten ich schreibe eine Nachricht an interessierte Freunde und wir gehen da zusammen hin. So wird’s gemacht.
Die Frage ist nun, läuft die Sache schon jetzt aus dem Ruder?